Für eine strategische Entscheidungsgrundlage begann ich das Projekt mit Hypothesen geleiteten Stakeholder-Interviews. In Gesprächen mit sechs relevanten Nutzer:innen aus Projektentwickler:innen von erneuerbaren Energien, Naturschützer:innen und politischen Akteur:innen gewann ich ein Verständnis für ihre individuellen Rollen innerhalb des Genehmigungsprozesses. Ihre hierbei auftretenden individuellen Probleme und Erwartungen fasste ich in folgenden Erkenntnissen zusammen.
Mit Auswertung der Interview-Ergebnisse und einem ganzheitlichen Blick auf die Customer Journey ließen sich Projektentwickler:innen von erneuerbaren Energien, wie Windkraft- und Photovoltaikanlagen, als Kernzielgruppe der Plattform identifizieren. Als wesentlicher Akteur übernehmen sie zentrale Aufgaben des gesamten Verfahrens. So verfügen sie über umfangreiches Wissen, generieren relevante Informationen und stoßen neue Vorhaben an, wovon Dritte (Genehmigungsbehörden, Investoren, etc.) profitieren. Meine Hypothese war es, Projektentwickler:innen zu einer zielgerichteteren Planung neuer Flächen zu befähigen, um so die Bearbeitungs-Aufwände nicht genehmigungsfähiger Anlagen auf der Behördenseite zu reduzieren.
Damit Projektentwickler:innen das Erfolgspotential ihrer Fläche und deren Umgebung bewerten können, benötigen sie einen leichteren Zugang zu öffentlich verfügbaren Informationen. Nur so können sie frühzeitig feststellen, ob eine geplante Anlage negative Einflüsse nach geltenden Gesetzen auf ihre Umgebung haben würde. Obwohl diese Informationen öffentlich zugänglich sind, fällt es Projektentwickler:innen jedoch häufig schwer, den Überblick über verfügbare Informationen und Daten zu erlangen. Für eine umfassende Bewertung ist oft die Auswertung dutzender Dokumente aus meist ebenso vielen Bezugsquellen nötig.
Mit den täglichen Aufgaben und Zielen der Projektentwickler:innen im Gedächtnis gestaltete ich einen Prototyp, der die relevantesten Nutzerszenarien in den Fokus nehmen sollte.
Wesentliches Ziel war es, die entstehende Plattform von Grund so aufzubauen, dass sie kohärent zu den heutigen analogen Prozesses funktioniert. Geleitet durch das Feedback der Nutzer:innen entstand in einer partizipativen Designphase ein leicht nachvollziehbarer zwei-stufiger Prozess. Um die Mehrwerte einer digitalen Lösung auszuschöpfen, wurden die arbeitsaufwendige Flächenakquise und Antragerstellung miteinander vereint. Nutzer:innen können so zuerst eine potentielle Fläche wählen, aus der die hervorgehenden Informationen automatisiert in den Genehmigungsantrag überführt werden. Ganzheitlich betrachtet ermöglicht die daraus resultierende User-Experience eine Verschlankung der aktuellen Arbeitsweise.
Finale User-Flows: Flächenakquise und Antrag-Erstellung werden in einem zwei-stufigen Prozesses vereint
Durch die frühe Recherche fand ich heraus, welche digitalen Werkzeuge Projektentwickler:innen in ihrer täglichen Arbeit verwenden und dadurch nahezu auswendig kennen. Aufgrund umfangreicher, bisher ungesehener Funktionen war es hilfreich, die Plattform nach Mustern zu strukturierten und gestalteten, die Projektentwickler:innen bereits kannten und erlernt hatten. In enger Abstimmung mit der Nutzergruppe wurden so folgende Design-Herausforderungen stetig überarbeitet, um das bestmögliche Nutzer-Erlebnis zu konzipieren.
Zwischenstand der Design-Entwicklung: Suchergebnisse werden als Liste dargestellt
Finale Ansicht: Suchergebnisse werden parallel zur Karte dargestellt
Nahezu alle Informationen mit denen Projektentwickler:innen arbeiteten, lassen sich einer Fläche zuordnen oder geografisch lokalisieren. Noch wichtiger: Projektentwickler:innen suchen jene Informationen über deren geografische Verortung. Daher entwickelte ich eine Side-by-Side Ansicht, die es Projektentwickler:innen erlaubte, relevante Informationen parallel zu der Fläche aus der sie stammen einsehen zu können.
Die frühe Recherche ergab ein Cluster wesentlicher Informationen (wie umliegende Bebauung, zugrundeliegender Flächennutzungspläne, anliegender Arten und Naturschutzbestimmungen, uvm.), welche Projektentwickler:innen zur Bewertung der Fläche heranziehen. Da jedoch nicht zu allen Flächen die gleichen Informationen zur Verfügung stehen, entstand ein modulares System, welches erlaubte, die Informationsausgabe den Gegebenheiten situativ anzupassen.
In der nachgelagerten Phase der Antragserstellung zeigte sich in der User-Journey ein Anknüpfungspunkt für weitere Nutzergruppen. Ziel war es daher, die Plattform von Grund auf kollaborativ zu denken, um effiziente Arbeitsweisen innerhalb der bearbeitenden Teams und ein generell volldigitales Genehmigungsverfahren zu ermöglichen. Entsprechend sollte das User- Interface schnell erkennbar machen, wenn Teammitglieder an Projekten mitwirken.
In weniger als 4 Monaten habe ich Exise als Ergebnis meiner Bachelorarbeit fertiggestellt. Nach einer letzten Validierungsphase mit Testläufen des ausgewählten Prototypen konnte ich mir der Begeisterung der Projektentwickler:innen sicher sein. Ihr positives Feedback ist der Beweis, dass Exise in der Lage ist, echte Mehrwerte in festgefahrenen und analogen Prozessen zu bieten. Mehr noch sehen sie in der Vison von Exise eine greifbare Schlüsselkomponente, um den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben.
Ich freue mich, dass meine Arbeit von einer unabhängigen Jury der Münster School of Design zur besten Bachelorarbeit der Abschlussklasse im Wintersemester 2022/23 ausgezeichnet worden ist.